Amstettner Symphonieorchester


Programmeinführung Frühlingskonzert 2025


Das Programm des heutigen Konzertes besteht aus Kompositionen französischer Komponisten mit einem Bezug zu spanischer Thematik oder spanischem Kolorit. Es sind ausnahmslos Werke der Romantik, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden sind; drei von ihnen wurden, kurz nacheinander, im Jahre 1875 in Paris uraufgeführt und feiern somit heuer ihr 150jähriges Bühnenjubiläum.

Dazu gehört die „Symphonie espagnole“ von Éduard Lalo, uraufgeführt am 7. 2. 1875. Lalo entstammte einer im 16. Jahrhundert aus Spanien nach Frankreich eingewanderten Offiziersfamilie und sollte nach dem Wunsch des Vaters ebenfalls Offizier werden. Als der junge Lalo sich aber für eine musikalischen Laufbahn - zunächst als Geiger und Geigenlehrer - entschied, strich ihm der Vater jegliche finanzielle Unterstützung. Mit seinen frühen Kompositionen hatte Lalo wenig Erfolg; erst knapp 50jährig erlangte er größere Aufmerksamkeit, was auch durch seine Freundschaft mit dem spanischen Geigenvirtuosen Pablo da Sarasate gefördert wurde, der Lalos erstes Violinkonzert uraufgeführt hatte. Das zweite Violinkonzert - eben die „Symphonie espagnole für Violine und Orchester“ - widmete er Sarasate, und es wurde Lalos größter kompositorischer Erfolg. Der Wahl der spanischen Thematik war - neben den Affinitäten Lalos und Sarasates zu diesem Land - auch dadurch mitbedingt, dass Spanien in Frankreich damals „in war“ (die Uraufführung von Bizets „Carmen“ fand nicht zufällig fast gleichzeitig statt).
Das effektvolle und virtuose Werk ist eine höchst originelle Mischung aus Violinkonzert, Sinfonie und iberisch-folkloristischer Stimmung; ungewöhnlich in seiner fünfsätzigen Form und reichhaltig in seinen orchestralen Klangfarben und der differenzierten Rhythmik.
Lalo wurde in seiner Heimat als vermeintlicher „Wagnerianer“ gemieden, doch war er ein wichtiger Wegbereiter des Impressionismus und wurde etwa von Claude Debussy wegen seiner Instrumentationskünste und einer progressiven Harmonik sehr geschätzt.

Nur zwei Wochen vorher, am 24. 1. 1875, war die Uraufführung von Camille Saint-Saens sinfonischer Dichtung „Danse macabre“ über die Bühne gegangen. Diese, zu dieser Zeit bereits sehr populäre Orchestermusikgattung war von Franz Liszt entwickelt worden, der Saint-Saens Klavierlehrer war und auch die Uraufführung von dessen Oper „Samson und Dalila“ leitete.
Das Werk „Danse macabre“ wurde zunächst - 1872 im marokkanischen Tanger - von Saint-Saens als klavierbegleitetes Sololied komponiert, wobei der Text des Gedichtes „Égalité, Fraternité“ von Henri Cazalis vertont wurde: Zwei Liebende, die aufgrund der Zugehörigkeit zu verschiedenen Gesellschaftsschichten ihre Liebe nicht öffentlich zeigen dürfen, treffen sich in einer Winternacht auf einem Friedhof, wo der Tod „um Mitternacht auf seiner Geige eine Tanzmelodie spielt, um sein schrilles Instrument endlos zu kratzen“, „Skelette durch die Schatten gehen und unter ihren großen Leichentüchern laufen und springen“ und man „die Knochen der Tänzer knacken hört“.
Zwei Jahre später transkribierte Saint-Saens das Klavierlied zu einer Version für Solovioline und Orchester, wobei er auch einschneidende Veränderungen in der musikalischen Struktur einschließlich völlig neu komponierter Abschnitte (etwa dem Fugato im Mittelteil) vornahm.
Die Solovioline personifiziert den Tod, wobei die „e“-Saite umgestimmt ist auf den Ton „es“ (eine Skordatur also), wodurch die beiden obersten Saiten des Instruments nicht mehr eine reine Quint, sondern einen Tritonus ergeben - ein unmittelbarer Bezug auf die Gedichtzeile „la mort continue de racler sans fin son aigre instrument“. Zwei andere Beispiele, wo Saint-Saens die Klangfarbenmöglichkeiten des großen Orchesterapparates nutzt und plakativ umsetzt, sind der Beginn, wo die Harfe zwölf Mal denselben Ton spielt - interpretiert als die zwölf Glockenschläge um Mitternacht -, sowie die Verwendung des Xylophons als Klangmalerei der Textstelle „on entend claquer les os des danseurs“.

Als am 3. 3. 1875 - weniger als ein Monat nach Lalos „Symphonie espagnole“ - die Oper „Carmen“ uraufgeführt wurde (und beim Publikum auf breite Ablehnung stieß), hatte Georges Bizet bereits 14 andere Opern komponiert - fast alle dem Genre der „Opera comique“ zugeordnet und mit italienischem Einfluss. Ganz in Vergessenheit geraten sind daneben Bizets pianistische Fähigkeiten; bei einem Abendessen, wo auch Franz Liszt anwesend war, spielte er 1861 ein noch unveröffentlichtes, anspruchsvolles Werk des ungarischen Meisters fehlerfrei vom Blatt, worauf Liszt bemerkte, dass Bizet „einer der ausgezeichnetsten Pianisten Europas“ sei.
Formal ist „Carmen“ - die Geschichte der männerbetörenden Carmen, der der mit dem Bauernmädchen Micaela liierten Don José verfällt, der für sie ins Gefängnis geht, der aber dann erkennen muss, dass Carmen mittlerweile einen anderen (den erfolgreichen Stierkämpfer Escamillo) liebt und der Carmen (die an ihrer Freiheit festhalten und nicht mehr zu ihm zurückkehren will) schließlich ersticht - ebenfalls noch eine „Opera comique“, doch machen sie die realistische Milieuschilderung, Dramatik und schicksalhafte Tragik bereits zu einem Vorläufer des Verismo. Gleichzeitig vollzog Bizet in dem Werk eine Synthese zwischen der - der Opera comique eigenen - Kleingliedrigkeit in der Form (die Dialoge waren ursprünglich gesprochen, erst später wurden sie durch Rezitative aus der Feder des Komponisten Ernest Guiraud ersetzt) und der ausgeweiteten musikalischen Szenen der Oper des 19. Jahrhunderts.
Im heutigen Konzert werden neun Orchesterstücke aus der Oper gespielt, und zwar - im Gegensatz zu den „Carmen-Orchestersuiten“ - in jener Reihenfolge, wie sie im Bühnenwerk vorkommen. Dabei handelt es sich sowohl um original ausschließlich instrumentale Stücke (Prelude, Aragonaise) als auch um Orchesterfassungen von Gesangsstücken (z. B. der „Chor der Gassenjungen“ oder die „Habanera“ und die „Seguidille“ - beides Arien der Carmen).
Exakt nur drei Monate nach der Uraufführung erlag Bizet - auch desillusioniert vom Misserfolg der Oper - erst 36jährig einem Herzanfall. Den Siegeszug seiner „Carmen“, die wohl mit der Wiener Erstaufführung im Oktober 1875 begann, konnte er so nicht mehr miterleben.

Émile Waldteufels Konzertwalzer „Espana“ entstand ein gutes Jahrzehnt nach diesen drei Stücken - in ihr verarbeitete der Komponist Themen aus der wenige Jahre davor entstanden Orchesterrhapsodie „Espana“ von Emmanuel Chabrier. In manchem kann Waldteufel als französisches Pendent zu Johann Strauss Sohn gesehen werden, da die beiden Komponisten viele Gemeinsamkeiten (samt einem musikalischen Wettstreit in Berlin 1889) verbanden.
Waldteufel entstammte einer jüdischen Musikerfamilie, deren Wurzeln in Böhmen lagen, die aber seit 1793 im Elsass ansässig war. Sein Vater leitete in Straßburg ein Orchester, in dem der junge Waldteufel häufig auftrat. Nachdem er aber 1865 die Kaiserin Eugénie in Biarritz musikalisch beim Tanz begleitet hatte, wurde er zum kaiserlichen Tanzmusikdirektor ernannt, wo er unter anderem für die Betreuung der Hofbälle Kaiser Napoleons III. in den Tuilerien verantwortlich war. Waldteufel komponierte 274 Werke, fast ausschließlich Tanzmusik (Walzer, Polkas, Mazurkas) - Émile Zola bezeichnete ihn als „Walzerfabrikanten, der seine Werke bei Tags schreibt, um sie abends zu spielen“.
Sein Konzertwalzer „Espana“ - wie alle Werke Waldteufels nur am Klavier konzipiert und erst nachträglich instrumentiert - steht in der Tradition der Spanien-Begeisterung in Frankreich, die sich zwei Jahrzehnte später etwa noch in Debussys „Iberia“ oder Ravels „Rapsodie espagnole“ ausdrücken sollte.


Birgit Kolar

Die international renommierte Geigerin wurde in Waidhofen/Ybbs (Österreich) geboren. Sie war Schülerin von Rainer Küchl und Jela Spitkova an der Musikuniversität in Wien, weitere Studien bei Wolfgang Scheiderhan, Robert Masters und Josef Luitz.
Finalistin und Preisträgerin beim Internationalen Yehudi Menuhin Wettbewerb 1991 (England). Solistische und kammermusikalische Konzerttätigkeit in verschiedenen Ländern Europas, Südamerikas und in Japan. Von 1999-2008 war sie Primaria des Münchner Streichquartetts, das sie gemeinsam mit Mitgliedern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks gründete. 2008 gründete sie mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker und Wiener Symphoniker das Seraphin Quartett Wien.
Regelmässige kammermusikalische Zusammenarbeit mit dem Pianisten Malcolm Martineau und der Sopranistin Miah Persson.
Birgit Kolar war unter anderem Konzertmeisterin bei den Wiener Symphonikern von 1994-96. Als Gastkonzertmeisterin spielt Birgit Kolar u.a. in Orchestern wie dem Bayerischen Staatsorchester (Staatsoper München), dem BBC Philharmonic Orchestra, dem Bergen Philharmonic Orchestra, dem Kopenhagen Philharmonic Orchestra, dem Orquestra del Gran Teatro del Liceu Barcelona, etc.
Von 2003-2009 war sie Lehrbeauftragte an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien für Violine Konzertfach und bekleidetet im Jahr 2011 eine Gastprofessur an der Kunstuniversität in Graz. Birgit Kolar spielt auf einer Violine Carlo Bergonzi, Cremona 1723 aus der Sammlung der Oesterreichischen Nationalbank.


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