Amstettner Symphonieorchester



Herbstkonzert 2006


Das Programm des heutigen Konzertes umfasst hauptsächlich Werke der beiden Jahresregenten Wolfgang Amadeus Mozart (250. Geburtstag) und Dmitri Schostakowitsch (100. Geburtstag). Dazwischen vermittelt ein Marsch des böhmischen Komponisten Julius Fucik sowohl zeitlich wie auch geographisch zwischen dem Österreich des 18. und der Sowjetunion des 20. Jahrhunderts.


Beide Werke von W. A. Mozart stammen aus seiner Wiener Zeit, und beide stehen in der Mitte einer Dreiergruppe von verwandten oder zusammengehörenden Werken. Die g-moll-Sinfonie ist die mittlere seiner drei letzten großen Sinfonien, die Oper „Die Entführung aus dem Serail“ ist entstehungsgeschichtlich die mittlere seiner drei „Deutschen Singspiele“, zu denen neben dem Jugendwerk „Bastien und Bastienne“ auch seine letzte Oper „Die Zauberflöte“ gehört.


Komposition und Uraufführung der „Entführung“ fallen zeitlich zusammen mit Mozarts Brautstand und Eheschließung mit Konstanze Weber (die Namenswahl für die Heldin dieser Oper war daher keine zufällige). Trotz der glänzenden Erfolge brachte die Oper nur geringe Einnahmen, da in jener Zeit die Komponisten nur von der Bühne bezahlt wurde, in deren Auftrag das Werk geschrieben worden war. Aufführungen in anderen Städten brachten zwar viel Ehre, aber keine weiteren Einnahmen.

Bereits die ersten Takte der dreiteiligen Ouvertüre versetzten in eine Märchenwelt, die - durch die Schlagzeugeffekte - von orientalischem Kolorit geprägt ist. Der sehnsuchtsvoll zarte, langsame Mittelteil zeichnet das ritterlich edle Liebespaar Belmonte/Konstanze. Es ist die gleiche Melodie, die Belmonte später in seiner ersten Arie zu singen hat; hier in der Ouvertüre aber noch in Moll erklingend.

In der Oper geht die Ouvertüre - in G-Dur endend - direkt in die erste Szene über. Heute ist daher eine Konzertfassung zu hören, deren veränderter Schluss (nach den musikalischen Motiven Mozarts) von Johann André stammt.


Schon 1891 bedauerte der Musikkritiker Hermann Kretschmar, dass viele Hörer die Ausdrucksgewalt von Mozarts großer g-moll-Sinfonie „kaum mehr richtig einschätzen können, weil sie Jahrzehnte lang geschmacklos verbraucht“ worden sei. In der Tat nimmt dieses Werk, von dem es so viele CD- Einspielungen gibt wie von keiner anderen Sinfonie, eine kompositorische Ausnahmestellung ein. Komponiert fast zeitgleich mit der lyrischen Es-Dur und der heiteren, glanzvollen letzten „Jupiter“-Sinfonie ist sie durch eine ganz andere, ernstere Grundstimmung geprägt, in der man auch die zunehmend verzweifelte finanzielle Lage Mozarts (wie sie durch die immer dringlicher werdenden Bettelbriefe an seinen Logenbruder Michael Puchberg belegt ist) zu erkennen glaubt. Auch die Instrumentation (ohne Trompeten & Pauken) ist für Mozarts späte Sinfonien ungewöhnlich.

Die Sinfonie liegt in zwei Fassungen vor, wobei die erste - etwas herbere - in der Holzbläserbesetzung ohne Klarinetten (nur mit Flöte, Oboen und Fagotten) auskommt. Mozart hat die Klarinetten jedoch - wohl für eine 1791 von Salieri geleitete Aufführung - später selbst ergänzt; in dieser Fassung - die sich allgemein durchgesetzt hat - ist das Werk heute auch zu hören. Nicht geklärt ist, ob die Sinfonie bereits 1788 in Wien oder erst 1790 in Frankfurt uraufgeführt worden ist.

Alle Sätze sind durch einprägsame Themen charakterisiert, deren kunstvollste Verarbeitung Mozart am Gipfelpunkt seines kompositorischen Könnes zeigt und in vieler Hinsicht unerreicht ist. Viele Abschnitte sind weiters durch einen rastlosen Bewegungsimpuls gekennzeichnet, der großen Teilen der Sinfonie ihre erregte Unruhe gibt. Das Menuett ist das wohl schroffste, das Mozart je komponiert hat - es hat mit dem ursprünglichen barocken, höfischen Tanz nichts mehr gemein.

Das Werk muss sich nach Mozarts Tod unglaublich rasch verbreitet haben, wie die Rezensenten der damaligen Zeit belegen. In Halle etwa kam es 1830 zu einer Aufführung, bei der der dortige Kapellmeister die Sinfonie mit Posaunenstimmen erweiterte und mit 500 (!) Ausführenden zur Aufführung brachte (auch bei Salieris Aufführung 1791 wirkten 160 Musiker mit).


Julius Fucik - geboren 90 Jahre nach Mozarts „Entführung“ - ist ein in Prag heute noch gern gespielter Komponist, der aber hierzulande fast unbekannt ist. In seiner Heimatstadt studierte er Fagott, Violine und Schlagzeug und nahm später Kompositionsunterricht bei Antonin Dvorak. 1891 trat er beim 49sten österreichisch-ungarischen Regiment in Krems a. d. Donau ein, und nahm 1895 eine Stelle als 2. Fagottist am Deutschen Theater in Prag an. Seine Laufbahn als Militärkapellmeister begann Fucik 1897 in Sarajevo (aus dieser Zeit stammen auch zahlreiche Kompositionen wie etwa der „Einzug der Gladiatoren“). Mit seinen Kapellen führte er eigene Musik aber auch symphonische Werke auf, und über Budapest kam er 1909 nach Böhmen zurück, wo er ein Jahr später Direktor des Orchesters des 92sten Infanterie-Regiments in Theresienstadt wurde - damals eines der besten Orchester Böhmens, mit dem er in Prag und Berlin Konzerte vor über 10000 Menschen gab.

Neben seinen fast 400 Stücken für Militärkapellen, zu denen auch der heute gespielte „Florentiner-Marsch“ gehört, hat der früh verstorbene Fucik auch Kammermusik, Lieder, Chöre sowie eine Messe und ein Requiem geschrieben; viele Werke sind aber in Vergessenheit geraten oder vernichtet worden.


Neun Jahre nach Fuciks Tod erschien mit der gefeierten Uraufführung seiner 1. Sinfonie des damals 19jährigen Dmitri Schostakowitsch ein neuer Stern am Komponistenhimmel Russlands. Mit diesem Werk wurde er sehr bald auch außerhalb Russlands bekannt; Aufführungen in Berlin und den USA folgten.

Schostakowitsch - der auch als hervorragender Pianist reüssierte - war sicher einer der bedeutendsten russischen Komponistenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Wie kaum ein anderer stand er im Spannungsfeld zwischen politischem Druck und dem Wunsch nach individueller kompositorischer Freiheit; ein Kampf, der ihn schwer zeichnete. Einen entscheidenden Einschnitt in seinem Leben löste der (auf Veranlassung von Stalin geschriebene) Zeitungsartikel „Chaos statt Musik“ in der „Prawda“ vom 28.1.1936 aus, in dem Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ als nicht der kommunistischen Kulturideologie gemäß verurteilt wurde. Ein zweiter Angriff erfolgte 1948 durch das Zentralkomitee der KPdSU, der sich diesmal auch gegen Komponistenkollegen richtete. Schostakowitsch ging darauf in die innere Isolation. Erst nach dem Tode Stalins 1953 änderte sich die Situation: Der äußere Druck fiel weg, und viele Werke erlebten jetzt erst ihre Uraufführung.

Bei der achtsätzigen „Suite für Promenadenorchester“ (früher irrtümlich als „Jazz-Suite“ Nr. 2 bezeichnet) musiziert das Amstettner Sinfonieorchester mit rund 80 Musikern wahrscheinlich in der größten Besetzung seit 1947 (als das damalige Bezirkssymphonieorchester mit 86 Musikern konzertierte - dem größten Klangkörper, den es je in Amstetten gegeben hat). Das Werk besteht aus Ballett-, Schauspiel- und Filmmusikstücken, die etwa zwischen 1930 und 1955 entstanden und offensichtlich von Schostakowitsch selbst zu dieser Suite zusammengefasst worden sind.

Die Musik des ersten und letzten Satzes stammt aus der Musik zum Film „Die Abenteuer von Korzinkina“ (1940); der lebhafte zweite Satz aus der Filmmusik zu „Die Hornisse“ (1955). Der dritte Satz (Tanz 2) geht zurück auf ein Stück aus dem Ballett „Der helle Bach“ (1939), das seinerseits eine Adaptation einer Nummer aus dem Ballett „Der Bolzen“ von 1931 ist. Die Herkunft der „Kleinen Polka“ ist unbekannt; der „Lyrische Walzer“ ist wahrscheinlich eine Orchestrierung eines Walzers, den Schostakowitsch einst für Klavier komponiert (aber nicht veröffentlicht) hatte. Der sechste Satz stammt aus der Ballettsuite „Choreographische Miniaturen“, und der bekannte zweite Walzer - auf den das abschließende Finale folgt - hat seinen Ursprung in der Filmmusik zu „Die erste Angriffswelle“. Dieses Stück wurde auch von Stanley Kubrick als Leitmotiv für seinen Film „Eyes Wide Shut“ verwendet.

Ab Mitte der 60er Jahre, als Schostakowitsch hochangesehener Professor an den Konservatorien in Moskau und St. Petersburg war, häuften sich Erkrankungen (Herzinfarkte, Lähmungen, Gehbehinderungen). Nachdem er - nicht einmal 70jährig - einem weiteren Herzinfarkt erlegen war, nahm das ganze Land Abschied von jenem Mann, der am Ende einer langen und eindrucksvollen Reihe russischer Komponisten gestanden war. Unter den zahlreichen Kränzen, die sein Grab schmückten, war auch einer des KGB.



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