Amstettner Symphonieorchester



Herbstkonzert 2007


Am Programm des heutigen Konzertes stehen ausschließlich Werke der Romantik. Im ersten Teil steht das Horn als Instrument im Mittelpunkt, wogegen nach der Pause Werke der beiden nordischen Jahresregenten Edvard Grieg (100. Todestag) und Jean Sibelius (50. Todestag) zu hören sind.


Das 1. Hornkonzert des bayerischen Komponisten Richard Strauss ist ein Paradestück jedes Hornisten. Durch seinen Vater Franz Joseph Strauss, der Waldhornvirtuose an der Königlichen Bayerischen Hofkapelle und erster Hornist an der Münchener Hofoper war, wurde der junge Richard schon früh mit diesem Instrument vertraut. So schrieb er sein Hornkonzert op. 11 mit 18 Jahren - sein wohl erstes bedeutendes Orchesterwerk überhaupt, dem später seine groß angelegten Sinfonischen Dichtungen wie „Tod und Verklärung“, „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, „Also sprach Zarathustra“ und „Eine Alpensinfonie“ sowie seine vielen Opern wie „Salome“, „Elektra“ und der „Rosenkavalier“ folgen sollten.

Das Werk wurde offenbar zu Ehren seines Vaters komponiert, der damals gerade 60 Jahre alt geworden war. Es ist ein Virtuosenstück romantischen Charakters, das allerdings nicht die Dimensionen anderer großer romantischer Solokonzerte besitzt. Es steht am Beginn einer Entwicklung, in der - nachdem die spieltechnischen Möglichkeiten des Naturhorns in der Frühromantik bereits ausgereizt worden waren - sich das Ventilhorn seine heutige Stellung als Soloinstrument zu erobern begann. Das 19. Jahrhundert kannte keine reisenden Hornvirtuosen wie die Klassik mit den Hornisten Punto oder Leitgeb; zu Strauss´ Zeiten fand das allgemein gebräuchlich gewordene F-Ventilhorn seine Verwendung fast ausschließlich im Orchester.

Formal ist Strauss´ 1. Hornkonzert traditionell dreisätzig (schnell-langsam-schnell), die Konturen sind jedoch verwischt, indem die Sätze mehr oder weniger nahtlos ineinander übergehen. Auch in der thematischen Arbeit weicht der junge Komponist z. T. bereits stark von althergebrachten Kompositionsweisen ab. Die Themen haben einen ausgeprägten Liedcharakter; sie werden meist zwei- oder gar dreimal hintereinandergereiht oder in einer rhapsodisch freien Form als breite Kantilene dargeboten, wogegen sich die thematische Arbeit zumeist auf freie Imitationen in den Nebenstimmen und ornamentale Ausschmückungen beschränkt.

Das Konzert wurde erst am 14.3.1885 - mehr als zwei Jahre nach seiner Entstehung - durch die Meininger Hofkapelle unter dem Dirigenten Hans von Bülow uraufgeführt; den Solopart blies Gustav Leinhos. Richard Strauss war zu diesem Zeitpunkt bereits Vizekapellmeister dieses Orchesters. Sein Vater begegnete dem Werk, das heute wohl eines der am häufigsten gespielten Hornkonzerte überhaupt ist, mit Skepsis: er befand es für „zu schwer spielbar“.

Genau sechs Jahrzehnte später schrieb Richard Strauss noch ein zweites Hornkonzert, das dem ersten an Schönheit nicht nachsteht und wohl noch höhere technische Ansprüche an den Solisten stellt als das heute zu hörende virtuose Jugendwerk.


Dem Hornkonzert vorangestellt ist die berühmte Ouvertüre zur Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Der Grundgedanke der Oper ist der Sieg des Guten (repräsentiert durch Agathe) über das Böse (Samiel, der Teufel, und der ihm verfallene Jägersbursch Kaspar, der seinen Kameraden Max - als dieser nach altem Brauch einen Probeschuss abgeben muss, um seine Braut Agathe zu gewinnen - dazu verführt, mit ihm um Mitternacht in der Wolfsschlucht Freikugeln zu gießen). Ihre märchenhafte Dramatik entsprach ganz dem Zeitgeist der Frühromantik. Die Ouvertüre ist eng mit der Oper verküpft, weil bereits in ihr die wichtigsten musikalischen Themen der späteren Handlung auftauchen.

Drohend erscheint am Beginn das Unisono von Streichern und Holzbläsern und schafft eine Atmosphäre der Unruhe, an die eine ausgedehnte Solostelle der vier Hörner anschließt, die den Stimmungszauber des deutschen Waldes nachzeichnet. Schließlich folgt die Welt Samiels mit tremolierenden Streichern und scharfen Pizzicati in den Kontrabässen, und mit ihr setzt das Allegro des Sonatenhauptsatzes ein, dessen Beginn von der gespenstischen Dramatik der Wolfsschlucht-Szene und Motiven aus der „Verzweiflungsarie“ des Max durchdrungen ist, ehe im Seitensatz zunächst in den Streichern, dann in den Holzbläsern mit einem Thema aus einer Arie der Agathe das Prinzip des Guten die musikalische Bühne betritt. Mit diesem Thema im vollen Orchestertutti - transponiert nach C-Dur - schließt auch die Ouvertüre.

Weber gelang es in einzigartiger Weise, in der Ouvertüre musikalisch die gesamte Handlung der Oper in konzentrierter Form bereits vorwegzunehmen, ohne ein Potpourri in Form einer bloßen Aneinanderfügung einzelner Themen zu schaffen. Von seinen Opernouvertüren führt musikgeschichtlich ein direkter Weg zu den Ouvertüren Richard Wagners. Auch in der Behandlung der Orchesterinstrumente (insbesondere der Klarinette und der Hörner) gelang Weber die Erschließung neuer Klangfarben.


Als Henrik Ibsen im Jahre 1867 sein fünfaktiges Drama „Peer Gynt“ schrieb, war er auf dem Weg, der bedeutendste norwegische Dichter seiner Zeit zu werden. Sieben Jahre später sandte er dem knapp über dreißigjährigen Edvard Grieg eine Anfrage, ob dieser nicht zur Bühnenfassung des Dramas eine Musik schreiben wolle. Grieg willigte ein und schuf eine umfangreiche, aus mehr als 20 Einzelstücken bestehende Bühnenmusik, die heute weitgehend vergessen ist und auf den Sprechbühnen (auch mangels großer Bühnenorchester) nicht mehr aufgeführt wird. Grieg selbst stellte jedoch (rund 15 Jahre nach ihrer Komposition) acht Stücke daraus zu zwei Orchestersuiten zusammen, und in dieser Form hat die „Peer-Gynt-Musik“ bis heute einen festen Platz im Konzertrepertoire behalten. Beim heutigen Konzert ist die seltener gespielte, aber musikalisch mindestens ebenso reichhaltige 2. Peer-Gynt-Suite zu hören.

Peer Gynt, eine mythische Gestalt aus den norwegischen Volksmärchen und -sagen (der nach Ibsen tatsächlich existiert haben soll), wird im Drama als eine notorisch lügende, an Übermaß der Phantasie und an Größenwahn leidende Person gezeichnet. Hemmungslos in allen Belangen raubt er seine frühere Geliebte Ingrid an deren Hochzeitstag mit einem anderen Bräutigam und flieht mit ihr in die Berge. Doch bald wird er ihrer überdrüssig und verlässt sie (Nr. 1 - Der Brautraub oder Ingrids Klage), um sich mit wilden Sennerinnen herumzutreiben. Darauf gerät er in das Reich des Bergkönigs, wo er dessen Tochter verspottet und ihn darauf das wütende Bergvolk töten will.

Nachdem seine Mutter Ase stirbt, zieht Peer Gynt in den Orient, wo er als Handelsreisender auch nach Marokko kommt, dort als Prophet auftritt und von den arabischen Mädchen begrüßt wird (Nr. 2 - Arabischer Tanz). Mit der Verwendung verschiedenster Schlaginstrumente erzeugt Grieg hier eine orientalische Färbung; in der originalen Bühnenmusik singt ein Chor dazu: „Rührt Flöten und Trommeln, der Prophet ist gekommen !“

Schließlich kehrt Peer Gynt als Greis in seine Heimat zurück und erleidet bei seiner Heimfahrt Schiffbruch (Nr. 3 - Peer Gynts Heimkehr). Grieg malt das tosende Meer in unvergleichlich virtuosen Orchesterfarben. In der Heimat hat seine Jugendliebe Solvejg (=„Sonnenweg“) ihr Leben lang auf ihn gewartet, und in ihren Armen stirbt Peer Gynt, geläutert von den vielen Verfehlungen seines Lebens. Solvejg singt dabei ein letztes Lied (Nr. 4 - Solvejgs Lied), in der Bühnenmusik mit folgendem Text: „Schlaf, mein teuerster Junge, schlaf ! Ich will dich wiegen, ich will wachen.“


Eine ähnliche Bedeutung hinsichtlich der Ausprägung einer eigenen „Nationalmusik“, wie Grieg sie für Norwegen zukam, hatte - knapp eine Generation später - Jean Sibelius für die finnische Musik. Viele seiner Werke sind durch Volksdichtung, Geschichte des Vaterlandes, Mythologie und Naturverbundenheit inspiriert oder befassen sich mit diesen Themen (z. B. seine sinfonischen Dichtungen Finlandia, Kullervo und Der Schwan von Tuonela).

Sibelius wurde in seiner Heimat als Schöpfer eines finnischen nationalromantischen Musikstils hochgeschätzt, sodass ihm der finnische Staat als größtem Komponisten des Landes eine Ehrenpension auf Lebenszeit gewährte. Ab 1926 veröffentlichte Sibelius aber kein einziges Werk mehr. Über den Grund seines 30jährigen Verstummens als Komponist hat er sich nie geäußert.


Die „Valse triste“ war ursprünglich Teil einer Bühnenmusik zu dem Drama „Kuolema“ („Der Tod“) von Arvid Järnefelt. Der Held des Dramas ist Paavali, der nicht an den Tod glaubt. Um ihn zur Erkenntnis des Todes zu bringen, sterben nacheinander seine Frau, seiner Kinder und schließlich seine Mutter. Die „Valse triste“ untermalte musikalisch die Sterbeszene der Mutter, die sich auf einem Ball wähnt und zu tanzen beginnt. Am Höhepunkt des Tanzes erkennt sie, dass ihr Partner der Tod ist.


Das - in Mitteleuropa weithin unbekannte - Gebiet Karelien, eine waldreiche Seenlandschaft zwischen Ostsee und Weißem Meer, stand stets im Spannungsfeld zwischen Finnland und Russland. Nach jeder Kriegshandlung neu aufgeteilt, gehört Karelien heute zum Großteil zu Russland, nur der westlichste Teil verblieb bei Finnland. Sibelius´ Beschäftigung mit finnischen Nationalthemen ist auch aus dem starken finnischen Nationalbewusstsein der damaligen Zeit zu verstehen, als Finnland (das Teil des russischen Zarenreiches war) seine nationale Unabhängigkeit erstrebte (und diese 1918 dann auch erlangte).

1893 erhielt Sibelius von einer Studentenkorporation - die Idee der Unabhängigkeit wurde vor allem in Studentenkreisen propagiert - in Viipuri den Auftrag, sieben Szenen aus der Geschichte Kareliens in Musik zu setzen. Später stellte Sibelius dann für den Konzertgebrauch drei Stücke daraus zu einer Suite zusammen, die sich als „Karelia-Suite“ bis heute ungebrochener Beliebtheit erfreut.

Das Intermezzo (1. Satz) stellt mittelalterliche Steuereintreibungen dar. Über den bewegten Streichern intonieren zunächst die Hörner Fanfarenmotive, die sich zu einem Marsch steigern und dann von den Trompeten übernommen werden, ehe die Steuereintreiber wieder abziehen und das Stück im Pianissimo verklingt.

Die Ballade (2. Satz) ist ein melodisch weitgespannter, mit dunklen Orchesterfarben die Naturstimmungen Kareliens zeichnender Gesang, der von einem alten Barden vorgetragen wird. Nach einem ergreifenden Englischhornsolo schließt sich der lebhafte Schlusssatz „Alla marcia“ an, der in der ursprünglichen Komposition als Intermezzo mit dem Titel „Marsch nach einem alten Motiv“ vertreten war und den Sibelius für die Konzertsuite leicht umgearbeitet hat.



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